Donnerstag, 18. Juli 2013

Die Fashionweek und der Moralkrieg

So, Freunde der Sonne: der Staat deklariert Ferien und Berlin die Fashionweek. Wenig motiviert schleppte mich mein Godfather of Lifestyle Magazin von einem Event zum nächsten und ließ mich ein paar vom Himmel gefallene Sternchen mit stotternden Interviews belästigen.

Kleine Randbemerkung: Ich küre seit unbestimmter Zeit ein drei-köpfiges medial engagiertes Team mit meiner Anwesenheit und setze mir vergnügt das Krönchen der Moderatorin auf.

Die große Reise begann am Montag auf der Fashionweek-Opening Party mit einer "Hallo Glitzer und Bling Bling"-Show von Twelvethirteen und endete gestern auf der Black&White Fashionshow des neuen Modelabels Kadir Gueler.
Auch dieses mal gab es viele Fashionweek-Freaks, mit den Outfits des rennomierten Designers "De La Partyclown". Zu den Top Kreationen gehörte das Accessoire einer jungen Mamasita, die mich auf der diesjährigen "Patrick Mohr" Installation in ihren Bann zog. Die Göre schmiss sich völlig unbeschämt ein selbstgebasteltes Kettchen aus Schnürsenkel und Banane um den Hals (Banana to go!) und man munkelt, Gäste fanden sie fast interessanter als die noch ungewöhnlicheren Mohr Models. Chapeau, Mademoiselle Banane - ich bin anhaltend fasziniert!
Die nahezu perfekten Schönlinge, die einem vergnügt jeglichen Rest von Selbstbewusstsein entziehen, wurden auch nicht vermisst - genauso wenig, wie die vielen neuen Labels, die in naher Zukuft meine inoffizielle Kaufsucht mit Bravur unterstützen werden.

Patrick Mohr Installation 2013 MBFW SS
Meine Highlight dieser außerordentlich mördernden Woche ist eigentlich vollkommen Fashionweek-unabhängig. Weder ein Interview mit Promi-Wenigkeiten wie Frau Loth oder Monsieur Ochsenknecht, noch die Begegnung mit Arafats-Most-Wanted a.k.a. Kay One, schaffen es auf mein persönliches Treppchen.
Eigentlich ist es viel eher ein Stück weit Selbstverständnis, was ich ganz zufällig auf den Fashionstraßen fand, aufhob und mitnahm. Bezeichnen wir es doch eher als mein famoses Schicksal. Ich stellte einigen Interessenten die Frage, ob Mode mit Oberflächlichkeit gleichzusetzen ist und siehe da: ganz großes Kino! Kaum einer fand auch nur annähernd die richtigen Worte für die richtige Antwort. Was dabei rauskam war einzig und allein die Creme de la Creme des Mülls. Zugegeben stellte ich mir diese Frage irgendwann selbst. Modebegeistert, schuhvercrackt und stets Komplimente fischend. Ich gehöre irgendwo doch zu der Variation Mensch, die ich nicht ungern schlecht mache und für unmoralisch halte. Normen der Selbstkritik sollen mit dem Zeitalter des Dinosauriers ausgestorben sein. Völlig selbstverliebt streben wir nach der Akzeptanz derjenigen, die ausnahmslos ihre allgemeine Oberflächlichkeitsreife mit einem NC von 1,0 absolviert haben. Fragen wie: Was zieh' ich heute an? Wie style ich meine Haare? Welche Sneakers dekorieren meine Füße und welches Kettchen meinen Hals? - rauben uns kostbare Sekunden, Minuten, wenn nicht sogar Stunden unseres Lebens. Hell yeah - als würde es nichts Wichtigeres geben.
Früher verschafften sich Menschen Anerkennung und Respekt allein durch ihre eigenständige Leistung, heute erreicht ein hübsches, von Perfektion überschüttetes Model mehr Ansehen, als ein privatstudierendes, alleinlebendes, vollzeitbeschäftigtes Mädchen mit einer schiefen Nase. Jeder, der das Gegenteil behauptet, lügt! Ja, ich neige zu Übertreibungen.
Fast hätte ich doch meine Seele an den Teufel des Tussi-Daseins verkauft. Schön, dass ein weltbekanntes Fashionevent wie die Mercedes-Benz Fashionweek mich ehrenvoll mit einer Links-Rechts-Kombo geklatscht hat und auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht hat. Meine kleiner philosopischer Feind, der mir aus dem Stehgreif für jede unangenehme Situation einen Kommentar á la Sokrates ins Gedankengut flüstert, man nennt ihn auch Gewissen, verpasste mir mit seiner Moralpeitsche und einem "Hallo, Sklave der Äußerlichkeiten", ein paar deftige Hiebe.

Kadir Gueler and Me | Black and White Fashionshow by Kadir Gueler






Komisch, dass Mademoiselle Naná sich schon letzte Woche hingesetzt hat, um mit ihren mehr oder weniger nicht vorhandenen Schreibkünsten zu prahlen und einen auf mega aktuelle Journalistin oder Bloggerin zu machen. Die halbe Weltbevölkerung reißt mir gerade jedes einzelne Haar meiner schwarzen Mähne vom Kopf. Wozu also noch sich selbst unter Druck setzen? Mein Gesicht, mein Name, meine Arbeit, mein Blog! Sido, sei gegrüßt
Ich schreibe wann, wie und was ich will, ob bei 14 oder 1400 Lesern. Bei den ganzen von Nörgel überströmten Aufgaben, vergisst man eigentlich das für uns Wichtigste, nämlich sich selbst. Genießt jeden Moment, der euch zum Lachen bringt. Jede Sekunde, in der sich Menschen bei euch melden, die ihr liebt und jeden Augenblick, in dem ihr euch selbst vergessen könnt. Ärgere dich nicht, wenn dir ein Vogel auf den Kopf kackt, sondern freu dich, dass Elefanten nicht fliegen können.

Applaus an jeden, der meinen Gedankenmarathon bis hier gelaufen ist, also fühl dich geknutscht du anonymer Leser und adieu.